Hubertusorden

Geschichte des Hubertusordens

der Herzöge von Jülich-Berg und verwandter Gründungen

von Lutz Krüger

Teil 1 von 3

Vorwort

Wurzel und Vorbild aller mittelalterlichen Ritterorden waren die in den Kreuzzügen gegründeten großen geistlichen Orden zur Bekämpfung der "Ungläubigen". In den Zeiten ihrer Blüte galten sie als ideale Verkörperung des ritterlichen Gottesstreitertums. Während der Templerorden im Jahre 1314 der Auflösung verfiel, die im ganzen Abendland Aufsehen erregte, fanden die Johanniter ein neues Wirkungsfeld auf der Insel Rhodos. Als Vorkämpfer der Christenheit konnten sie bis 1522 im Kampf gegen die Türken neue Lorbeeren sammeln.

Für die Ritterkultur des späteren Mittelalters wurde namentlich der Deutschordensstaat in Preußen und Livland vorbildlich. Fast alljährlich weilten zahlreiche Adlige aus allen Ländern Europas als "Kriegsgäste" am Sitz des Hochmeisters. Bei ihrer Rückkehr in die Heimat verbreiteten sie die Kunde von der militärischen Macht des Ordens.

Zum klassischen Land der Ritterorden wurde die Iberische Halbinsel, wo nicht weniger als sieben Ritterorden bestanden, die den Glaubenskampf zum Hauptprogramm ihres Zusammenschlusses gewählt hatten.

Allmählich bildeten sich auch an den Fürstenhöfen ähnliche Ritterorden. Ihre Bedeutung blieb allerdings rein territorial beschränkt. Sie waren eng verwandt mit den religiösen Bruderschaften, deren Verbreitung im Spätmittelalter ganz außerordentlich war. Beide verpflichteten ihre Angehörigen zu bestimmten Gebetsübungen. Als Muster christlichen Verhaltens, Vermittler zum fernen Gott und Schutz vor den Plagen des Lebens wählten die mittelalterlichen Zusammenschlüsse einen Heiligen zum Schutzpatron.

Herzog Gerhard II. von Jülich-Berg stiftet einen Ritterorden

Am 3. November - dem Hubertustag - des Jahres 1444 errang Gerhard II. (1437 - 1475), Herzog von Jülich-Berg, bei Linnich (9 km nordöstlich von Jülich) einen glänzenden Sieg über den an Mannschaft weit überlegenen Arnold von Egmond. Gegenläufige Erbansprüche waren die Ursache dieses Krieges. Als Dank stiftete der Herzog am Tage nach der Schlacht den ritterlichen "Orden des Heiligen Hubertus", der nach der Form der Kette und des anhängenden Kleinods auch "Orden vom Horn" genannt wurde.

Im Jahre 1445 befahl Herzog Gerhard seinen Untertanen, den Tag des heiligen Hubertus fortan wie einen Sonntag zu feiern, "wegen der Gnade und des Sieges im vergangenen Jahr, und ihn ewiglich in gutem Gedächtnis zu halten". Am Karfreitag erließ er die lateinischen Satzungen des Hubertusordens. Ihnen war ein deutscher Entwurf vorausgegangen war, der wohl in den ersten Monaten nach der Schlacht zur vorläufigen Richtschnur bei der Aufnahme der Ordensmitglieder gedient hatte.

Wie sah der Orden aus?

Im Wappenbuch des Conrad Grünenberg (erstellt um 1483) ist das Wappen des Herzogs von Jülich-Berg umgeben von einer Ordenskette mit daran hängendem Kleinod.Herzogliches Wappen

Abb.: Wappen des Herzogs von Jülich-Berg und Wappen des Herzogtums Geldern, mit dessen Gebietsteilen Gerhard II. belehnt war. Bayerische Staatsbibliothek, München.

 

Die silbernen Glieder der Collane (Halskette) werden gebildet von zwei mit der Krümme einander zugekehrten Jagdhörnern mit nach außen gerichteten Schallöffnungen. Plättchen mit darauf dargestellten Seilrollen halten Verbindung. Die Hornpaare der Collane werden durch achtförmig verschlungene Hornfesseln verbunden. Die genaue Anzahl der Hornpaare ist auf der Zeichnung nicht festzustellen. An der Collane hängt an drei silbernen Tragebändern ein querliegendes silbernes Jagdhorn mit der Schallöffnung nach rechts und der Krümme nach unten. Auf den Tragebändern zwischen Kette und Horn ein stilisierter Berg in Grün, darauf rechts eine kniende Gestalt in Silber vor einem goldenen Hirsch.

Der hl. Hubertus als Ordenspatron - der Hirsch sein Attribut.

Wilhelm III., 1. Sohn des Herzogs, gibt am 22. Januar 1476 in Art. 4 seines Bestätigungs- und Statutenbriefes des Hubertusordens den Hinweis darauf, dass der kniende Mann tatsächlich Hubertus und nicht Eustachius darstellen soll:

"Item sall eyn icklich broeder alle dage sprechen V pater noster ind so vyll ave marien in ere gotz ind der hilger vuff wonden, as die sent Hupert tuschen den hirtz horne erschenen, dat eme got ind sent Hupert syne vuff synne behueden wille" (Auch soll ein jeder Bruder täglich 5 Paternoster beten und soviel Ave Marien zur Ehre Gottes und der heiligen 5 Wunden, als sie St. Hubert im Hirschgeweih erschienen, damit ihm Gott und der Heilige seine fünf Sinne erhalten möge).Kleinod im herzoglichen Wappen (1476)

Abb.: Im Wappen des Herzogs Adolph von Jülich-Berg, des 2. Sohnes von Herzog Gerhard II., findet sich eine sehr viel deutlichere Darstellung der Collane des Ordens und des daran hängenden Kleinods. Bruderschaftsbuch des Hubertusordens von 1476, Bayerische Staatsbibliothek, München.

Mit der Stiftung des Hubertusordens und er damit verbundenen Darstellung der Bekehrungsvision überträgt Herzog Gerhard II. bildlich und textlich nachweisbar das Motiv der Begegnung des Jägers mit dem kruzifixtragenden Hirsch auf den heiligen Hubertus.

Allerdings sind zwei noch ältere bildliche Hubertusdarstellungen mit dem Hirsch bekannt. Zum einen ist es der "Weltgerichtsaltar" Stefan Lochners um 1440 mit dem hl. Hubertus als Bischof mit liegendem Hirsch in Miniaturform auf einem Buch, dargestellt mit der hl. Katharina, dem hl. Quirinus von Neuss und dem Stifter. Zum anderen die Bekehrung des hl. Hubertus durch den Hirsch, zu finden im Stundenbuch der Katharina von Kleve, entstanden um 1440 in Utrecht.

Aus historischer Sicht darf jedoch auch vermutet werden, dass der hl. Hubertus einen solchen Ehrenplatz im Stundenbuch der Katharina von Kleve nicht eingenommen hätte, wenn dieses Buch einige Jahre später fertiggestellt worden wäre. Schließlich war Katharina von Kleve (1417 - 1476) - Tochter des Herzogs Adolf von Kleve und seiner Frau Maria von Burgund - die Frau von Arnold von Egmond (1410 - 1473), der am Hubertustag des Jahres 1444 in der Schlacht bei Linnich besiegt wurde.

Die Hirschvision hat ältere Vorbilder.

In der Legendensammlung "Legenda aurea" oder "Legenda sanctorum" hat der Dominikaner Jacobus de Voragine (ca. 1230 - 1298, Erzbischof von Genua) zwischen 1263 und 1273 alles zusammengetragen, was er an Heiligenlegenden seiner Zeit aufspüren konnte. Hier wird der heilige Hubertus weder mit Namen noch mit einem Wunder erwähnt. Allerdings berichtet eine Legende von der Bekehrungsvision eines römischen Kriegsobersten Placidus, der einen Hirsch verfolgt und durch die Erscheinung des Kreuzes zwischen dessen Stangen und die Stimme des Herrn zum christlichen Glauben bekehrt wird und danach den Namen Eustachius führt.Hirschvision des Eustachius

Abb.: Darstellung der Eustachiusvision, Chorbuch des Klosters Zwiefalten aus dem 12. Jahrhundert, Landesbibliothek Stuttgart.

Aufgrund dieser Legende wurde der historisch nicht einzuordnende Märtyrer im romanisch geprägten Kulturraum wahrscheinlich Patron der Jäger. Das Fest des Heiligen wurde nach den alten Martyrologien (kalendarisch geordnete Verzeichnisse von Gedenktagen der Heiligen) am 1., 2., 3. oder 4. November gefeiert. Da der Gedenktag des heiligen Hubertus in diesen Zeitraum fiel, waren die Voraussetzungen für eine Übertragung günstig.

Die Hirschvision ist nicht europäischen Ursprungs. Sie kam als Wandermotiv aus dem indisch-buddhistischen Kulturkreis über Mesopotamien, Griechenland und Italien nach Westeuropa. Das Mittelalter hat sich gern dieses Motivs bedient und es in Legenden und Sagen verwoben.

Was wissen wir über Hubertus?

Als einzige direkte Quelle zum Leben des Hubertus kann die "Vita prima sancti Huberti" aus dem Jahre 744 herangezogen werden. In dieser Lebensbeschreibung wird St. Hubertus weder als jagdpassionierter Edelmann noch die ihm zugeschriebene Bekehrungsvision mit dem kreuztragenden Hirsch erwähnt. Zwei nicht viel später entstandene Viten bringen ebenfalls noch keinen derartigen Bezug.

Über die Lebensgeschichte des heiligen Hubertus gibt es nur wenige gesicherte Angaben. Nachzuweisen ist seine Würde als Bischof von Tongern mit Sitz in Maastricht im Jahre 7O8.

Hubertus starb am 3O. Mai oder 29. Juni 727 und wurde in der Kathedrale St Peter zu Lüttich beigesetzt. Am 03. November 743 fand die feierliche "Erhebung" seiner Gebeine statt - im 1O. Jahrhundert die übliche Form der Heiligsprechung.

Benediktinermönche des bis dahin unbedeutenden Ardennen-Klosters Andain (Andagium) erbaten die Reliquien des heiligen Hubertus, weil sie sich davon ein Aufblühen ihrer Gemeinschaft versprachen. Am 30. Mai 825 wurden die Gebeine des Heiligen der Abtei übertragen, die nun den Namen "Saint Hubert" führte.

Der hl. Hubertus wird zum Jagdpatron in den Ardennen.

Adlige Jagdgesellschaften, die in den riesigen Waldungen der Ardennen ihrer Passion nachgingen, werden sicherlich das Kloster zur Rast aufgesucht haben.

Auch wenn die Vision des kreuztragenden Hirsches in Verbindung mit dem hl. Hubertus erst im 15. Jahrhundert auftaucht und populär wird, gibt es doch im ersten Buch der Miracula (9. Jh.) ebenso im Cantatorium (11. Jh.) Hinweise auf den Brauch, am Altar des Heiligen das Erstlingsopfer einer Jagd darzubringen.

Es lag nahe, diese frühe Beziehung zwischen Kloster und Jägern der näheren Umgebung auf einen Personenkreis auszudehnen, der auch aus größerer Entfernung zur Grablege des Heiligen kam, um die Hilfe seiner Reliquien zu erbitten oder die Dienste der Klosterbrüder in Anspruch zu nehmen.

Der hl. Hubertus war auch Patron über die Tollwut.

Seit dem 9./10. Jahrhundert soll der heilige Hubertus als Helfer gegen die Tollwut angerufen worden sein. In der 2. Mirakelsammlung der Hubertuswunder vom Ende des 11. Jahrhunderts lesen wir erstmals von Tollwutheilungen.

Mit dem Tollwutpatronat war so eine weitere Verbindung zwischen Jägern, einer besonders infektionsgefährdeten Berufsgruppe, und dem Wallfahrtsort gegeben.

Der Weg von früher Hubertusverehrung zum Jagdheiligen

Betrachtet man die beiden Hauptpatronate des heiligen Hubertus zum Schutz gegen eine Krankheit und über einen Berufsstand, so kann man ihr Ineinanderfließen feststellen.

Schon im 10. Jahrhundert finden sich Spuren einer Hubertusverehrung in einem Kalendar der Diözese Trier und im 14. Jahrhundert gibt es insbesondere in der alten kölnischen Kirchenprovinz Zeichen einer Verehrung des hl. Hubertus. Bereits 1341 besaß der Dom zu Köln einen Hubertusaltar, den der Markgraf Wilhelm von Jülich gestiftet hatte.

Wie es so oft bei Heiligenkulten des frühen Mittelalters geschah, das nur über eine dürftige Informationsstruktur und eine ebenso geringe Mobilität verfügte, blieb der Kult des hl. Hubertus auf die Region beschränkt.

Um das Jahr 1440 versieht Stephan Lochner auf dem rechten Flügel des "Weltgerichtsaltars" den Bischof Hubertus mit dem Hirsch als Attribut, der in Miniaturform auf dem in der linken Hand gehaltenen Buch liegt.Hubertus als Bischof

Abb.: Hubertus als Bischof mit liegendem Hirsch in Miniaturform auf einem Buch

begleitet von der hl. Katharina, dem hl. Quirinus von Neuss und dem Stifter. Staatsgemäldesammlungen, München.

Das Stundenbuch der Katharina von Kleve zeigt um 1440 die Begegnung des jagenden Hubertus mit dem kreuztragenden Hirsch. Zwei Stundenbücher, die in den Jahren 1444 und 1451 von Kölner Schulen gemalt wurden, zeigen ähnliche Darstellungsformen.

Mit der Übertragung des Kreuzhirschmotivs von Eustachius auf Hubertus um 1400 war ein bedeutender Schritt auf dem Weg zur Akzeptanz des Hubertus als Jagdheiligem getan. Hubertus hatte ein jagdspezifisches Attribut erhalten.

Es ist sicher, dass mit der Ordensgründung des Herzogs Gerhard II. die Zuordnung Hubertus / Hirschvision und damit die Hubertusverehrung zunächst am Niederrhein und in der Eifel und später auch in anderen Regionen wesentlich verstärkt wurde. Mit Aufnahme der Hirschvision in seine Legende (Vita quarta im 15. Jh.) war Hubertus endgültig zum Jagdheiligen geworden. Unter diesen Voraussetzungen war eine raschere und überregionale Verbreitung des Hubertus-Kultes und seiner Patronate gegeben.

Seit Mitte des 15. Jahrhunderts ist der fromme Besuch der Abtei fest eingeführt, und Pilger von Oberdeutschland bis Utrecht, von Burgund bis nach Sachsen, sind nachzuweisen. Unterstützung fand die zunehmende Akzeptanz sicherlich durch das französische Königshaus, das Hubertus, nach Fehlinterpretation seiner Herkunftsgeschichte, in die Reihe der eigenen Vorfahren einbaute. Vermutlich war König Karl VIII. von Frankreich (1483 - 1498) derjenige, der den heiligen Hubertus zum Schutzpatron der Jagd erkor.

Hier sei angemerkt, dass in dem Holzschnittwerk "Die Heiligen aus der Sipp-, Mag- und Schwägerschaft des Kaisers Maximilian I." (1493-1519) auch der heilige Hubertus in die Reihe der Heiligen aufgenommen wurde, die der Kaiser als seine Vorfahren ausgab. Durch seine freundschaftlichen Beziehungen zu Herzog Wilhelm III. zu Jülich-Berg war sicherlich die Verehrung, die der Kaiser und das Haus Habsburg dem hl. Hubertus zollte, auch im Reich verstärkt worden.

Aus Literatur und bildender Kunst ist allerdings deutlich zu entnehmen, dass in vielen Teilen Deutschlands und anderer Länder noch weit nach 1444 die Darstellung der Bekehrungsszene in Verbindung mit Hubertus nicht üblich war.

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